Das Corso in den 1980ern
Interview mit Bernhard Böhm, Vorführer im Corso und im Stern am Ring, Köln-Mülheim
ZurückErinnern Sie sich noch an den kleinen Raum mit den Holzregalen mit den Buchstaben?
Ja, an die „Dunkelkammer“ und den Geruch erinnere ich mich noch sehr gut. Die Ecken in den hinteren Gängen hatten damals schon ihre ganz eigene Atmosphäre. Die Gänge im hinteren Bürotrakt zum Vorführraum Studio/Corso waren wirklich angsteinflößend und die [von Ihnen erwähnte] Nikotindecke an den Bauer Maschinen stammt vermutlich vom vorletzten Vorführer, der Kettenraucher war. Er war aber auch von „bis in die Haarspitzen“ leidenschaftlicher Vorführer, Techniker und ein Film-Fan.
Wissen Sie noch, wer den Leuchtkasten bestückt hat?
Die Außenfront wurde vom Vorführer bestückt. Und zwar in der Zeit, als die Hauptfilme im Corso und im Studio angelaufen sind. Da die einzelnen Film-Akte am laufenden Projektor getrennt (Zeit gespart) und direkt verpackt wurden, hatten wir nur knapp 20 Minuten Zeit. Da wurde es schon mal eng... Die Front war relativ knapp bemessen, sodaß die Filmtitel alleine kaum Platz fanden - Wir hatten dort zwei Linien Corso und darunter Studio im Corso...Der Fokus lag immer auf den Titeln. Ich wollte bei einem Horrorfilm nur mal rote Buchstaben raushängen. Die hat der Chefvorführer direkt wieder gegen die dunkle Schrift ausgetauscht.
Stimmen die hier gezeigten Anfangszeiten mit dem Beginn der Vorstellungen im Corso überein?
Ja - Corso 15:00 17:30 20:00 und Studio 15:30 18:00 20:30
Wir fanden auch noch mehrere große Holzschränke in den Technikräumen. Wissen Sie noch, wofür diese genutzt wurden?
Ich meine, daß im Raum neben dem Batterieraum, wo Manfred Hütten immer die Plakate und Vorschaubilder für den Schaukasten vorbereitet (verklebt) hat, mindestens ein Schrank stand. Hierzu muss man wissen, daß er die Schaukästen mit den Plakaten und Bildern wirklich liebevoll mit allerlei Material (das in den Schränken lag) „ausdekoriert“ und nicht nur lieblos ausgehangen hat. Im Büro (Vorraum zum Studio) neben einer Couch stand (meine ich) ebenfalls ein Schrank neben dem Schreibtisch.
Waren die nach Brandschutzrichtlinien früher vorgeschriebenen Hartholzfilmschränke zu Ihrer Zeit noch in Benutzung?
Ja. Hier lagerten die „vorbereiteten“ Filme für den Programmwechsel (Fr-Mo / Di-Mi / Nur Do und JV [Jugendvorstellung] 11 und 13 Uhr) Die „großen Filmtitel“ wurden uns dagegen meist erst Freitags Mittags von Remagen geliefert. Manchmal so spät, daß bereits Kunden im Kino anwesend waren, aber der Film noch nicht...
Hatten Sie damals schon mit dem Transporteur Arno „Pepe“ Patzer zu tun, der das Lager von Remagen am Höninger Weg 107-109 übernommen hatte?
Ja. Einer der „wichtigsten Menschen“ für mich. Zu meiner Zeit habe ich mittags immer auf „Pepe“ in seinem Renault Kastenwagen gewartet. Hier zählte oft jede Sekunde, da die Kopien der Blockbuster meist erst spät mittags aus den großen Häusern kamen. Ich erinnere mich auch an eine Frau [vermutlich handelt es sich um Patzers Frau], die gelegentlich ausgeholfen hat. [Mehr zu Den Filmtransportfirmen unter Remagen]
Wir fanden einen alten Vorführschemel aus Holz und Reste von einem moderneren Drehstuhl. Gab es zwei alte Vorführschemel?
Ja. Und die beiden knarzten damals bereits ziemlich...
Gab es zu Ihrer Zeit einen motorisierten Umroller oder wurden die Akte noch mit dem Bauer Handumroller vorbereitet?
Die Filme wurden für das Corso allesamt mit dem Handumroller bearbeitet bzw. zurückgespult.
Wie und wann wurden Werbe-Großdias in die Vorstellung integriert?
Das Dia-Ansatzgerät war am linken Bauer-Projektor in Ausrichtung auf das erste Projektionsfenster angebracht. Ich meine mich zu erinnern, daß immer nur 2 Dias hineinpassten die dann abwechselt über eine Art „Hebel“ überblendet wurden. (Glasdias 10 x 10 cm im Holzrahmen) Und zwar immer zwischen Kulturfilm und den Vorschau-Trailern. [Mehr zur Dia-Überblendung unter KIWE]
Standen auf der Wandstellage noch ein Plattenspieler bzw. ein Tonbandgerät?
Ja, u.a. ein Tonbandgerät. Einlaß war immer eine Viertelstunde vor dem Vorprogramm. Herr Ritschel [Ein weiterer Vorführer] hat die Musik für die Pausenzeiten zuhause selber auf Tonband aufgenommen und im Theater abgespielt. Zudem stand dort ein Umschalter für Werbedias, der kurz vor den Vorspännern mit musikalischer Begleitung genutzt wurde. Dafür wurde der Projektor gestoppt, das Tonband neben dem Umschalter gestartet und dann die Werbe-Dias mit musikalischem Hintergrund aufgerufen. Das letzte Dia war immer „Heinefilm Werbung bringt Erfolg“. Vergesse ich nie.
Wurde bei der Vorführung im Corso noch Wert auf Formalitäten gelegt, (Einstellung des Kasch auf die richtigen Formate, Öffnen des Vorhangs, Betätigen des Gongs vor jeder Vorstellung)?
Ja, das war sogar außerordentlich wichtig. Musik aus - Gong - Vorhang auf. Wir haben sogar ein Kreppband im Film aufgeklebt um zu sehen, wann der Vorhang geöffnet werden muss. Dann ans Telefon in Richtung Kasse…“Hauptfilm hat begonnen“.
Wurde zu Ihrer Zeit aktweise oder im 2-Akt-Betrieb mit den großen Feuerschutztrommeln auf den Bauer B14 Projektoren vorgeführt oder waren diese schon demontiert?
Zu meiner Zeit bis ca. 1983 wurde auf einer Maschine der Kulturfilm plus Vorprogramm sowie Akt 1-2 installiert (1200m Spule/ ein Akt mit ca. 20 Minuten Laufzeit). Danach wurde auf Akt 3-5 der zweiten Maschine überblendet. Selten hatten wir Filme mit 6 Akten oder mehr. Aktweise wurden, soweit ich das noch in Erinnerung habe, lediglich die Jugendvorstellungen überblendet, da die sofort nach einer Vorstellung wieder „verpackt wurden“.
Mir bleiben vor allem die Jugendvorstellungen [im Corso] Sonntags um 11 Uhr und 13 Uhr in Erinnerung. Da war noch Kino und die Jugendvorstellungen Sonntags randvoll besetzt. Da hatten die Eltern mal Ruhe zu Hause. Das hatte ohne Übertreibung „ Rock-Konzert-Charakter“. Der Einlaß war „Schwerstarbeit für uns alle“. Und wenn mich heute jemand fragt, was beruflich einer meiner schwierigsten Momente war, antworte ich Folgendes: Mir ist in meiner „Karriere“ nur einmal während der Jugendvorstellung der Film gerissen, ausgerechnet im Kampf von Godzilla gegen King Kong. Die Sekunden bis ich den Film wieder starten konnte; meine „zitternden Hände“, habe ich nie vergessen. Die Resonanz und Kulisse aus dem Saal habe ich heute noch in den Ohren.
Die Vorführer waren übrigens über den Vorführraum telefonisch mit der Kasse verbunden. 10 Minuten vor dem Filmende meldeten sich die Vorführer. Von der Kasse aus wurde dann das Licht im Treppenbereich eingeschaltet.
Haben die Kinobesucher sich für die Projektionstechnik interessier?
Ich erinnere mich, als ich noch als Besucher im Sperrsitz quasi seitenverkehrt von unten nach oben in die kleinen Vorführlöcher starrte, um zumindest etwas von der großen Kino-Technik zu sehen. Das war unmöglich. Und so blieb der Raum hinter den kleinen Luken lange ein eigenes Universum. In der Tat hatte ich in einigen Gesprächen herausgehört, dass viele meiner Freunde einen Super-8-Projektor im Kino vermuteten. So war es schon fast als Schock zu bezeichnen, als nicht nur ich, sondern jeder Besucher später, zum ersten Mal die Askania Maschine im Studio erblickte. Anders als im Corso Vorführraum, stand dort ein „echtes Monstrum“. ca 230 cm groß und vor allem sehr laut.[Mehr zum Studio in unserer Dokumentation des Studio.]
Sind Sie in Ihrer Zeit beim Corso oder Stern einmal einem Kinotechniker begegnet?
Den Seniorchef, Herrn Josef Hütten, habe ich schon mal mit Herrn Bergfelder in Gesprächen vor Ort gesehen. „Rudi“ hat er ihn genannt, entsinne ich mich. Das Stern am Ring 2, und das Corso hat Herr Bergfelder tontechnisch eingerichtet. Ansonsten habe ich keinen klassischen Kinotechniker gesehen. Die „Hüttens“ waren unglaublich sparsam. Um es diplomatisch auszudrücken. Was selber gemacht werden konnte, wurde auch in Eigenarbeit umgesetzt. Reparaturen der Seilzüge für Kasch und Vorhang, an den Kinosesseln, Malerarbeiten, Installation einer zusätzlichen Reihe mit Kinosesseln. Down Lights aus Coladosen im Foyer, waren selbstverständlich. Das Stern am Ring 2 wurde komplett in Eigenarbeit eingerichtet. Lediglich für die Errichtung der Trennwand zum Stern wurde ein Unternehmen beauftragt. Analog dazu verlief es im Corso.[Mehr zum Rudolf Bergfelder und seiner Firma KIWE in unserem Firmenportrait.]
Noch ein paar Fragen zu Ihrer Ausbildung...Haben Sie das Vorführen in einem Kölner Kino gelernt?
Nein, Kino war, wie für viele zu der Zeit, meine Leidenschaft. Und so habe ich 1980 einfach mal gefragt, ob ich bei den Jugendvorstellungen mithelfen kann. (Plätze anweisen) es war ja damals noch „rappelvoll“. Als einer der beiden Vorführer aufgehört hat, bin ich gefragt worden, ob ich nicht Lust hätte einzuspringen? Also, habe ich meinen alten sicheren Job gekündigt, bin dem Ruf meines Herzens gefolgt, und, um Ihre Frage zu beantworten, in wenigen Wochen angelernt worden. Ihr Herz schlägt zwar „mehr für den technischen Bereich der Projektoren“, aber das Kino war für viele damals in diesem typischen Arbeiterviertel ein echter Magnet. Anders als das Apollo, das ja auch früh abgerissen wurde. Sauber, geräumig, mit langem breiten Aufstieg, rechts gesäumt von vielen Filmplakaten. Der Blick ging weit nach oben, wo manchmal eine etwas strengere Stimme der Platzanweiserin zu hören war, die sagte:“ Bitte Füße hochheben“...Hier flog auch mal einer aus dem Kino, der meinte, während des Films nerven zu müssen.
Josef Hütten hat neben dem Corso das Stern am Ring in Mülheim betrieben. Dorthin bin ich 1981, nach ca. 1 Jahr im Corso gewechselt und war zwischendurch nur zu Besuch dort, z.B. um eine Kopie abzuholen. Stern und Corso gehörten zusammen, bis Hütten das Kino in Mülheim 1982 verkauft hat und ich ein Jahr später als Vorführer aufgehört habe. Video hat uns das Leben sehr schwer gemacht. Das Stern wurde mehr und mehr zum Programmkino und vom neuen Besitzer leider kaputtgewirtschaftet.Zum Seitenanfang